Die KARL-Kolumne
Quo vadis, S-Pedelec?

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In den Niederlanden steigen Jobpendler vom Auto aufs S-Pedelec um. In Deutschland gilt es als zu gefährlich. Ein Fehler. Sagt KARL-Kolumnist Moritz Pfeiffer.

S-Pedelec vor Weinbergskulisse
Foto: Georg Zeppin

Normalerweise bin ich ein Mensch, der Verkehrsregeln einhält – allein schon aus Selbsterhaltungtrieb. Was aber tun, wenn Verkehrsregeln grundlegend positiven Entwicklungen entgegenlaufen? Beispiel gefällig? Mein Arbeitsweg ist 40 Kilometer lang – mit dem Auto extrem stau-, mit der Bahn extrem störungsanfällig. Sooft es geht, fahre ich mit dem Rad. Problem: 40 Kilometer sind kein Pappenstiel, es bleibt viel Zeit auf der Strecke, die ich gerne mit meiner Familie verbringen würde. Ein "normales" E-Bike mit Unterstützung bis 25 km/h bringt keine Zeitersparnis, anders läge der Fall jedoch mit einem S-Pedelec, das bis 45 km/h unterstützt.

Aber: Im Gegensatz zu manch anderem europäischen Land macht das deutsche Regelwerk die Nutzung von S-Pedelecs künstlich unattraktiv. Radwege sind tabu, Feldwege ebenfalls, auch die Abkürzung durch den Wald auf Schotter ist verboten. S-Pedelecs gelten als Kleinkrafträder und gehören in Deutschland auf die Straße. Dumm nur, dass S-Pedelecs aussehen wie Fahrräder, beweglich sind wie Fahrräder und in der Hitze des Gefechts auch allgemein für Fahrräder gehalten werden. Folge: Autofahrer verstehen die Welt nicht, wenn ein vermeintliches Fahrrad vor ihnen auf der Fahrbahn "herumschleicht", obwohl nebendran ein ausgeschilderter Radweg verläuft. Wütende Hupkonzerte, wildes Gestikulieren und wüste Beschimpfungen sind somit integrale Bestandteile jeder S-Pedelec-Fahrt, enge Überholmanöver als erzieherische Maßnahme keine Seltenheit. Wer sich das ohne Knautschzone gibt, ist Überzeugungstäter oder Masochist.

Grund für die Verbannung von S-Pedelecs auf die Straße: Gesetzgeber und Verkehrsplaner fürchten den zu hohen Geschwindigkeitsunterschied zwischen konventionellen Fahrrädern und "normalen" E-Bikes. Entscheidend ist dabei nicht, wie schnell S-Pedelecs tatsächlich fahren – im Regelbetrieb eher 30 bis 35 km/h und somit genauso viel wie schnelle Rennradfahrer übrigens auch –, sondern wie schnell sie fahren könnten. Und das sind eben 45 km/h – zu viel.

Drei Aspekte stoßen mir dabei besonders übel auf. Erstens dürfte nach dieser Logik kein einziges Auto jemals eine Zone 30 oder gar eine Spielstraße befahren – immerhin könnte es ja viel schneller fahren als erlaubt. Zweitens fühle ich mich als Verkehrsteilnehmer entmündigt – denn während Autofahrern offensichtlich zugetraut wird, Tempolimits einzuhalten, wird mir die Befähigung abgesprochen, Rücksicht zu nehmen und meine Geschwindigkeit situationsbedingt anzupassen. Und drittens torpedieren solche Regeln das dringend notwendige Ziel, CO2-Emissionen im Verkehrssektor einzusparen. Denn: Das Auto ist mit großem Abstand das meistgenutzte Verkehrsmittel für den täglichen Arbeitsweg – ungeachtet der Kosten, der in Staus verschwendeten Lebenszeit und der nachteiligen Folgen fürs Klima. Vom Gesetzgeber erwarte ich zukunftsfähige Ge- und Verbote. Wer aber trotz steigender Pendlerzahlen und immer längerer Pendlerstrecken Alternativen zum Auto wie eben das S-Pedelec durch unsinnige Verkehrsregeln kaltstellt, hat offenkundig die Dringlichkeit der Klimakrise nicht verstanden. Und denkt Mobilität noch immer zu einseitig.

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Erscheinungsdatum 19.04.2023