Smarte E-Bikes
Wenn das Pedelec digital wird

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Immer mehr Hersteller statten ihre E-Bikes mit smarten Funktionen aus. Doch was steckt dahinter? Ein Überblick.

Wenn das Pedelec digital wird
Foto: Biketec/FIT E-Bike

Alle Infos zu deinem Bike, gesammelt in der Cloud. Software-Updates für das Fahrrad werden bequem per App aufgespielt. Wenn der Reifendruck nachlässt, blinkt eine Warnung auf deinem Smartphone-Screen auf. Und das Abschließen und Aufsperren funktioniert ebenfalls automatisch. Selbstverständlich vollkommen virtuell. Was sich im ersten Moment nach einer Zukunftsvision aus einem Science-Fiction-Film anhört, ist inzwischen längst Realität. Immer öfter statten Hersteller ihre Fahrräder mit digitalen Funktionen aus. Nicht umsonst sind Attribute wie "intelligent", "connective", "smart" oder "vernetzt" inzwischen regelmäßig an der Tagesordnung, wenn es um die Präsentation neuer Bikes geht. Das Fahrrad – einst eigentlich ein vollkommen mechanisches Produkt – ist inzwischen im digitalen Zeitalter angekommen.

Was sind smarte E-Bikes?

Doch was sind smarte Fahrräder konkret? Prinzipiell handelt es sich dabei um Fahrräder, die mit einem anderen elektronischen Gerät, einem Netzwerk oder digitalen Diensten verbunden werden können. "Bei Connected- oder Smart-Bikes ist das E-Bike-System über eine App verbunden. Daten werden ausgetauscht und individuelle Einstellungen am Bike sind direkt über die App möglich. Die App wird immer mehr zum Bordcomputer – analog zum Auto – mit vielen Funktionen und Möglichkeiten", erklärt beispielsweise Angela Bieli. Sie ist Marketingleiterin bei der Schweizer Biketec GmbH, der Mutterfirma von FIT E-Bike, einem Unternehmen, das sich auf innovative Technologien für Elektrofahrräder spezialisiert hat.

Mit dem "FIT E-Bike System" ausgestattete Fahrräder verfügen dabei gleich über mehrere smarte Funktionen: Das Smartphone kann hier das klassische E-Bike-Display ersetzen, Einstellungen des Motors oder Akkus werden direkt in der App vorgenommen und auch die Anbindung an Fitness-Apps wie Komoot oder Strava funktioniert problemlos. Spannend sind aber auch die Sicherheits-Features: Dank eines digitalen Schlüssels – bei FIT E-Bike "Digital Key" genannt – kann man elektronische Komponenten sperren und entsperren. "Das E-Bike wandelt sich immer mehr zur Mobilitätslösung. Gerade für den Stadtverkehr werden mehr Sicherheitsfunktionen relevant", fügt Bieli an.

Digitalisierung für mehr Sicherheit

"Das voll vernetzte, smarte E-Bike wird die Mobilität von morgen durch das Zusammenspiel von Hardware und Software neu definieren – auf den täglichen Wegen in der Stadt genauso wie auf sportlichen Touren über Land oder in den Bergen", sagt auch David Moser, verantwortlich für das globale PR-Management bei Bosch eBike Systems. Mit dem in dieser Saison eingeführten "smarten System" gilt der deutsche Antriebsspezialist als einer der Vorreiter in Sachen E-Bike-Konnektivität. Die "eBike Flow App", der Akku, das Display, die Bedieneinheit und die Drive-Unit von Bosch sind im smarten System voll miteinander vernetzt und werden durch regelmäßige Updates "over-the-air" immer auf dem neuesten Stand gehalten und mit neuen Funktionen erweitert. Über die App steuert man dabei alle Funktionen des smarten Systems, das den Motor, den Akku, das Display und die Bedieneinheit vernetzt.

Neben diesen Basisfunktionen bestehe zudem "großes Potenzial rund um das Thema Sicherheit", wie Moser sagt. "Digitale Lösungen und Services werden hier zum einen für mehr Sicherheit beim Fahren sorgen – wie etwa ein virtueller Schutzengel, der den Radfahrenden auf seiner Tour begleitet und im Ernstfall Hilfe holt. Zum anderen werden sie dazu beitragen, das E-Bike noch besser vor Diebstahl zu schützen und zum Beispiel die Verriegelung des Rads auf digitalem Weg ermöglichen", so Moser. Dass dies keine Zukunftsmusik ist, zeigt ein Blick auf den E-Bike-Markt: Immer mehr Hersteller integrieren sogenannte Tracking-Funktionen inzwischen ab Werk, damit das Fahrrad im Falle eines Diebstahles getrackt werden kann. Und moderne Fahrradhelme sind immer öfter mit sogenannten Crash-Sensoren ausgestattet, die Stürze registrieren und so Notfallkontakte kontaktieren können.

Antriebs-Einstellungen per App

Ein weiterer Antriebshersteller, der mit smarten Funktionen die Entwicklung des Pedelecs von morgen antreiben will, ist die Münchner Firma Fazua. Der neueste Wurf: Das "Fazua Ride 60 Drive System". Es vereint Motor, Getriebe, Tretlager und Sensorik sowie die Software für die entsprechenden Komponenten. "Aktuell ermöglichen wir mit unserer Fazua-App, die Motor-Settings auf eine ganz neue, einfache Art zu definieren. Somit können sich alle, die das wollen, ein individuelles und auf den spezifischen Use-Case abgestimmtes Fahrverhalten schaffen", sagt Produktmanager Oliver Heisig.

Die Münchner arbeiten laut Heisig derzeit zudem an einem sogenannten "In-App-Rider-Dashboard", das während der Fahrt genutzt werden kann und Daten in Echtzeit liefern soll. "Auch werden wir Software-Updates und die Bike-Diagnose ohne Kabel ermöglichen. Darüber hinaus arbeiten wir an vielen weiteren intelligenten Funktionen, wie beispielsweise einer automatischen Crash-Detection und Notfallkontakt-Benachrichtigung", so Heisig, der zudem anfügt: "Die Bandbreite der möglichen Services und Features ist fast unendlich. Die Herausforderung ist, das Sinnvolle umzusetzen, echte Probleme zu lösen und Bedürfnisse zu befriedigen."

IoT und Cloud als Basis

Entwickelt hat Fazua seine App in enger Zusammenarbeit mit dem aus Estland stammenden Anbieter Comodule. Dieser hat sich auf sogenannte Internet-of-Things-Lösungen für die Mobilitätsbranche spezialisiert. "Gemeinsam mit unseren Kundinnen und Kunden entwickeln wir angepasste Dienste und Funktionen für unterschiedliche Branchen und Einsatzbereiche. Dabei steht die Interaktion zwischen Fahrerin bzw. Fahrer und Fahrzeug stets im Vordergrund", sagt Sprecher Sven Bernhardt. Funktionen wie Diebstahlschutz und eine personalisierte Steuerung über Apps, die mit dem Fahrzeug verbunden werden können, sind seiner Meinung nach die aktuell größten Trends dieser Entwicklung. "Durch das detaillierte Auslesen der Fahrzeugdaten haben Hersteller beispielsweise die Möglichkeit personalisiert, auf den Servicebedarf ihrer Kundinnen und Kunden einzugehen. Somit können Serviceanfragen schneller identifiziert und behandelt werden, was zu einer Reduzierung von Stand- und Ausfallzeiten führt", meint er.

Gerade das Internet-of-Things sowie die Cloud-Technologie sind dabei die Basis für die smarten Features der modernen E-Bikes. Bei ersterem handelt es sich prinzipiell um einen Sammelbegriff für Technologien, die es ermöglichen, physische und virtuelle Objekte miteinander zu vernetzen und sie durch Informations- und Kommunikationstechniken zusammenarbeiten zu lassen. Am E-Bike wären das beispielsweise die Komponenten – der Antrieb, der Akku und das Display. Bei der Cloud handelt es sich wiederum um Online-Speicher-Lösungen, die Software-Updates, Daten etc. bereithalten, sodass der Datenaustausch zwischen Fahrrad, Apps und Co. möglich wird. "Musste man in der Vergangenheit noch Fahrräder mit einem Kabel an den Computer anschließen, können nun Updates und Daten mit nur einem Klick von überall aus abgefragt werden. Das ermöglicht und vereinfacht neue globale Geschäftsmodelle und verbessert zudem das Nutzungsverhalten für die Fahrenden, die von wiederkehrenden Verbesserungen an ihrem Bike profitieren", erklärt Sven Bernhardt.

In den vergangenen Jahren konnte Comodule laut eigenen Angaben so bereits über vier Millionen Updates durch Cloud-basierte Technologien durchführen. Anfang des Jahres ist man zudem eine Partnerschaft mit Google Cloud eingegangen, die den Bike-Bereich ebenfalls für sich entdeckt haben. "Damit können wir gemeinsam zukünftig innovative Google Cloud Apps für Hersteller aber auch mobile Apps für Radfahrende auf Basis innovativer und ausgereifter Technologien am Fahrzeug anbieten. Solche digitalen Potenziale sind für die Fahrradbranche völlig neu", so Bernhardt.

Specialized

Zukünftige Fahrräder komplett vernetzt?

Wie weit die Entwicklungen in den kommenden Jahren gehen könnten, zeigt wiederum das Beispiel Boréal Bikes. Unter dem Motto "When cycling and digital become one" hat sich die Berliner Bike-Schmiede der Digitalisierung des Fahrrades verschrieben – und deshalb ihre Räder mit Assistenzsystemen und Kameras ausgestattet – ähnlich wie beim Auto. Das Ziel: Zusammenstöße und Unfälle sollen so vermieden werden.

Das Boréal-Hightech-Fahrrad ist so Netzwerk-fähig und mit Sensoren ausgestattet. Diese Abstandssensoren erkennen per Laser, wie weit Objekte entfernt sind, und signalisieren dem Radfahrenden durch blinkende Lichter am Lenker, auf welcher Seite sich das Objekt befindet. In Zukunft soll das Bike seine Umgebung vollständig erfassen- und beispielsweise vor von hinten herannahenden Fahrzeugen warnen. "Derzeit können Fahrräder mit Datenzentren verbunden sein, die entweder dem Fahrradhersteller oder dem Flottenbetreiber gehören oder von einem Cloud-Service-Anbieter bereitgestellt werden. In Zukunft werden wir aber sehen, dass Fahrräder mit der öffentlichen digitalen Infrastruktur verbunden sind, die Teil eines intelligenten Verkehrssystems (ITS) ist. Das wird dann eine ganze Reihe neuer Echtzeitdienste und -funktionen ermöglichen, die den Verkehrsfluss und die Sicherheit der Radfahrerinnen und Radfahrer verbessern werden", sagt Mitbegründer Louis-Perpinan Huard.

Der Wandel zum Fahrrad 2.0

Von der Übertragung grundlegender Daten bis hin zum Software-Update per App – die Bandbreite digitaler Funktionen am E-Bike ist also schon heute riesig. Wie weit die Entwicklungen gehen werden, ist derzeit noch nicht abzusehen. Fest steht, dass sich die Fahrradhersteller einig darüber sind, dass sich das Fahrrad schon bald als Fahrrad 2.0 etablieren wird. "Es wird nicht mehr lange dauern, da nehmen wir die digitale Schnittstelle zum Bike als ganz normal hin", sagt Comodule-Sprecher Sven Bernhardt zum Abschluss. Und Bosch-Pressesprecher meint: "Wir sind überzeugt, dass das E-Bike in Zukunft ein Teil des Internets der Dinge wird. Heute ist das vernetzte E-Bike-Erlebnis noch eng mit dem Smartphone verknüpft, in Zukunft werden Menschen jedoch überall auf ihr eBike zugreifen können – ob es nun in der Garage oder vielleicht am Bahnhof steht, wo es morgens abgestellt wurde. Die Vernetzung des E-Bikes mit anderen Fahrzeugen und der Infrastruktur könnte darüber hinaus auch für mehr Verkehrssicherheit sorgen."

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Erscheinungsdatum 19.04.2023